Björn Swanson, Chef des Golvet in Berlin. Ein Gespräch u.a. über den Wandel in der Gastronomie, Auszeichnungen und die Corona-Krise

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Björn Swanson braucht keine Einführung. Wer seinen Namen dennoch googelt, sieht schnell die einschlägigen Schlagwörte „Michelin-Stern“ (in 2018, nur kurze Zeit nach Eröffnung des Restaurants Golvet), „Berliner Meisterkoch 2019“, „Jeunes Restaurateurs d’Europe (JRE)“, ebenfalls seit 2019 – sowie eine beachtliche Präsenz über kleine und große, Fach- und Publikums-Medien hinweg.

Björn Swanson – Stationen und das Hier und Jetzt

Nach Stationen u.a. @ Altes Zollhaus, Berlin (Herbert Belte), Fischers Fritz, Berlin (Christian Lohse), Weinbar Rutz, Berlin (Marco Müller), dem Facil, Berlin (Michael Kempf) sowie in München und Dresden beim Relais & Châteaux Gutshaus Stolpe, ist er seit 2017 Küchenchef und Geschäftsführer im Restaurant GOLVET mit Blick über den Potsdamer Platz in Berlin.

Wir hatten bereits kurz nach dem ersten Michelin-Stern im Januar 2018 das Vergnügen, mit Björn zu sprechen (hier geht’s zum 2018er Interview mit Björn Swanson). Seitdem hat sich aber vieles weiterentwickelt – im Restaurant Golvet, genauso wie in der aktuellen kulinarischen Szene. Der perfekte Zeitpunkt also, um den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen!

Food Fellas Interview mit Sternekoch Björn Swanson …

… über den Wandel im Golvet, die Bedeutung von Restaurant-Kritikern und der neuen Bewertungs-Kategorie „Green Leaf“ des Michelin, einen bedeutenden Wertewandel im gastronomischen Umgang miteinander, Forderungen nach einer neuen Esskultur in Deutschland und das aktuelle Handling der Corona-Krise in der Gastronomie.

Björn Swanson bei der Arbeit im Restaurant Golvet Berlin, Food Fellas Interview

Food Fellas: Du hast gerade Jonas Zörner zum Küchenchef des GOLVET ernannt. Er hatte die Küche schon ein paar Monate kommissarisch übernommen und Du sagst, dass sich ein Wandel vollzogen hat, den Du mit dieser Entscheidung konsequent mitgehst. Welcher Wandel ist das?

Björn Swanson: Ja, es war mir ein sehr wichtiges Anliegen Jonas für seine hervorragende Leistung zu belohnen und so war es auch kein wirklich großer Einschnitt für mich persönlich.

Die Frage des Wandels wird natürlich jetzt oft gestellt aber es ist so, dass ich einen gänzlich anderen kulinarischen Background habe und 11 Jahre älter bin – nicht das ich deswegen schlechter koche (lacht), aber Jonas arbeitet mit neuen Techniken und hat eine sehr filigrane Stilistik die wunderbar zu uns passt.

 

Nix desto trotz ist es auch weiterhin ein sehr enger Schulterschluss. Was mir nicht schmeckt oder nicht gefällt kommt auch in Zukunft nicht auf die Karte… aber das ist Gott sei Dank ohnehin sehr selten.

Teller Björn Swansons, Jonas Zörner, Golvet Berlin

Food Fellas:

Wie sieht bei Euch nun die Aufteilung im Team aus?

Björn Swanson: Es hat sich nicht viel geändert. Durch meine Funktion als Geschäftsführer habe ich mich vor geraumer Zeit bereits aus dem operativen Tagesgeschäft verabschiedet. Ich springe ein, wenn Not am Mann ist. Auch deshalb war der Schritt, Jonas zu befördern, goldrichtig. Er steht an vorderster Front und soll auch die Lorbeeren mit abbekommen. So kann ich mich auf meine Kernaufgaben im Golvet fokussieren und nebenher meine neuen Projekte vorantreiben.

Food Fellas:

In der Gastronomie vollzieht sich ein Wertewandel im Umgang miteinander. Was früher an Führungsstil die Regel war, ist heute bei der jüngeren Generation nicht mehr denkbar.

Hat der Personalmangel die Wende eingeläutet oder kommt auch vom Gast eine veränderte Erwartungshaltung im Hinblick auf Team und Miteinander?

Björn Swanson: Ich kann zu dem Thema Personalmangel nicht viel sagen – im Golvet hatte ich diese Probleme bis Dato noch nicht aber ja, es gibt natürlich einen Wertewandel im Umgang miteinander und das war lange überfällig und bitter nötig.

Die Gastronomie hat hier angefangen, am eigenem Image zu arbeiten aber dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen.

Die Zeiten der „Knechtschaft“ sollten für jeden Mitarbeiter der Vergangenheit angehören obwohl es leider noch sehr viele Betriebe – gerade im Sterne-Sektor gibt, die Ihre Mitarbeiter schlecht behandeln und bezahlen.

 

Food Fellas: Was hälst Du von der neuen Auszeichnung „Green Leaf“ des Guide Michelin?

Die Auszeichnung Green Leaf ist die dümmste Auszeichnung, von der ich bis jetzt gehört habe.

Das ist wie ein sinnbefreites „Gütesiegel“ auf einer Wiesenhof Verpackung, auf der steht „artgerechte Haltung“. Ich finde eher, man sollte Betriebe anprangern, die offenkundig keine nachhaltigen Lebensmittel verwenden bzw. solche, die auf Tierwohl scheißen. Diese Betriebe sollten von Bewertungen ausgeschlossen werden.

Ist Foie Gras wirklich noch zu vertreten? Muss auf jeder Karte Hamachi stehen? Sollten Süßwasser-Garnelen aus Bangladesch (usw.) ein Recht haben auf Speisekarten zu stehen? Es muss ein grundlegendes Umdenken her – beim Koch und beim Kunden. Es sollte doch mittlerweile jedem klar sein, das es so nicht weitergeht.

 

Food Fellas: Stichwort Guide und Auszeichnungen. Wie wichtig sind die Kritiker? Welchen Einfluss haben sie konkret im GOLVET?

Björn Swanson: Die meisten Kritiker nehmen sich selbst wichtiger als sie sind. Ich habe noch nie einen Gast gehabt der aufgrund unserer Punkte, Pfannen, Diamanten, Bestecke und „was sonst noch alles“ zu uns gekommen ist.

Viele Auszeichnungen sind ohnehin nur Szene-intern und spielen in der Wahrnehmung des Gastes keine Rolle. Ausgenommen hiervon ist für mich einzig und alleine der Guide Michelin.

Anonym, nicht angekündigt und daher für mich seriös. Die schönsten Texte schreibt aber der Gusto – daher meine Nr. 2!

Tisch im Restaurant Golvet mit Blick über Berlin, Food Fellas

Food Fellas:

Viele Gastwirte fordern eine neue Esskultur in Deutschland und mehr Wertschätzung und Anerkennung von Gästen und Politikern. Gleichzeitig werden die Ansprüche der Gäste immer höher und differenzierter, zum Beispiel in Hinblick auf Unverträglichkeiten und Allergien. Wie kann der Spagat gelingen, die Gäste zu umsorgen und trotzdem Grenzen des Machbaren aufzuzeigen?

Björn Swanson:

Natürlich muss da mehr kommen von Seiten der Politik – weniger als jetzt geht ja auch nicht. Es ist aber ein kulturelles Problem in der breiten Masse der Bevölkerung.

Hier den Fokus zu verschieben wird Genrationen dauern. Darüber hinaus muss jeder natürlich für sich festlegen wie flexibel er ist. Wir probieren sehr vielen Wünschen gerecht zu werden, kochen aber beispielsweise nicht vegan und nur bedingt laktosefrei. Es kommt aber immer auch auf den Einzelfall an.

Food Fellas: Stichwort Corona-Virus. Die Auswirkungen sind in der Gastronomie bereits deutlich spürbar. Wie geht Ihr mit der Krise um, was ist Deine Prognose und was ist die Idealvorstellung einer Unterstützung für Euch?

 

Björn Swanson: #fuckthevirus aber im Ernst;

Uns trifft die Corona-Krise sehr hart. Wir liegen im Zentrum der Stadt nah am Potsdamer Platz. Wir leben von Geschäftsreisenden und Firmen – also all jenen, die aktuell nicht nach Berlin kommen.

Der erste Schritt war die Service-Zeiten zu reduzieren. Wir öffnen von März bis Ende April nur Donnerstag, Freitag und Samstag. Der 2. Schritt war das temporäre Reduzieren der Arbeitszeit – ab dem 01.04 befinden sich alle Mitarbeiter in Teilzeit und der 3. Schritt war die Limitierung der Speisekarte – in der beschriebenen Zeit bieten wir kein à la Carte an sondern nur unser Menü „die Gegenwart“. So hoffen wir diese Krise zu meistern und sind guter Dinge.

Vielen Dank für das Interview!

Golvet | Potsdamer Straße 58 | 10785 Berlin | Telefon: 030 89064222

Fotos (c) Golvet


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