Am 4. November fand die große Gala zur Verleihung der Gault Millau Punkte 2020 in Berlin statt. Geehrt wurden mutige Konzepte junger Talente und erfahrener Könner. Aufgefallen ist den 32 Testern der Gault Millau inbesondere, dass die gehobene Küche generell vielfältiger und besser geworden ist und ein breiteres Publikum mit seinen verschiedenen Küchenstilen anspricht.
Die Spitzenküche ist aber auch nachdenklicher geworden; sie ist sich ihrer Verantwortung bewusst und das spiegelt sich auf den Speisekarten wider.
Eine Hinwendung zum Wild, das sein Leben frei in heimischen Wäldern verbrachte, als ultimatives Bekenntnis zur Regionalität und einer ethischen from-nose-to-tail-Verarbeitung und ein Nein zu langen Transportwegen. Genauso wie die Aufwertung von Fischen aus nahen Gewässern als Alternative zu den Klassikern aus überfischten Meeren.
Patricia Bröhm, Chefredakteurin des Gault Millau, fasst die aktuellen Trends in der Küche zusammen:
„Vor allem die junge Generation kocht mit einem geschärften Bewusstsein für die Endlichkeit der Ressourcen. Und orientiert sich zunehmend an dem, was für unsere Großeltern und Urgroßeltern selbstverständlich war. Eine Küche, die die Schätze heimischer Natur hochachtet, die Saison respektiert und alles vom Tier und von der Pflanze verwendet, was essbar ist, bis hin zu den lange verschmähten Innereien und zu den Gemüsestrünken, in denen der geballte Geschmack sitzt.“
Für seine „Küche, die ein Tor zu einer neuen kulinarischen Welt öffnet“, kürt der Gault Millau den 36jährigen Tohru Nakamura zum Koch des Jahres.
Koch des Jahres wird Tohru Nakamura, vom Restaurant „Werneckhof by Geisel“ in München
Tohru Nakamura vereint als Sohn Sohn einer deutschen Mutter und eines japanischen Vaters zwei kulinarische Welten und öffnet so ein Tor zu einer neuen kulinarischen Welt. Er schaffe es, europäische Avantgarde mit den Geheimnissen der traditionellen japanischen Küche neu zu verbinden und befeuere mit hoher kulinarischer Intelligenz jedes seiner Gerichte.
Nakamura erhält 19 von 20 Punkten, die für „prägende Küche, führend in Kreativität, Qualität und Zubereitung“ stehen.
19 Punkte im Gault Millau erhalten ebenfalls erstmals:
Kevin Fehling vom „The Table“ in Hamburg,
der „das coole Showcooking, die vielen Tupfen auf Tellern, die Schälchen als Beigabe zu jedem Gang und die Miniportionen zugunsten raffinierter, konzentrierter Gerichte mit überraschenden Geschmackskombinationen aufgab. Raffinement und Aromentiefe demonstriert er auch beim spanischen Blauflossenthunfisch, der aufs Glücklichste mit würziger Seeigelcreme, großkörnigem Lachs-Kaviar und in Yuzu eingelegtem Rettichwürfel liiert ist. Eskortiert wird diese Konsistenzen-Inszenierung von würzigen Nori-Algen und Oysterleafs, als sensorisch reizvoller Coup bringen sich leuchtende Wasabi-Perlen ein.“
Jan Hartwig vom „Atelier“ in München,
der „weltoffene Aromatik, bildschöne Optik und kreative Konzeption auf dem Fundament besten klassischen Handwerks präsentiert, als habe er jahrzehntelange Erfahrung und sei nicht erst 37 Jahre alt“. Die „hochfeine Süffigkeit der neuen deutschen Küche demonstriert auch sein mit Kalbslack glasiertes Kalbsbries, außen schön knusprig ausgebacken und innen butterzart, versteckt unter einer dünnen Scheibe knallroten Rote Bete-Radicchio-Gelees, begleitet von Parmesanschaum und Radicchio-Vinaigrette sowie Emmerrisotto, das mit Walnüssen und Speck verfeinert ist.“
Michael Kempf und Joachim Gerner vom „Facil“ in Berlin,
die „eine Küche ohne stilistische Scheuklappen und voller köstlicher Kontraste bieten, in der geschmackliche Tiefe und große Leichtigkeit Hand in Hand gehen. Da sie nicht im aktuellen Trend zum Purismus mitlaufen, sondern zu größerer Komplexität der Gerichte streben, bauen sie zum Beispiel dem Imperialkaviar eine imposante Bühne: Unten eine Schicht dünner Schweinebauch, darauf mild geräucherte Austernstücke, Lardo mit Kardamomcreme zum Schutz des Kaviars, kleine Würfel von Gelben Beten, mariniert in Passionsfruchtsaft, drumherum eine sanft-würzige Kardamomjus. Das klingt verrückt, aber es ist eben die Verrücktheit großer Küche.“
18 Punkte vergibt der Gault Millau erstmals an:
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Christian Eckhardt, “Purs” in Andernach
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Sascha Kemmerer, “Kilian Stuba” im Travel Charme Ifen Hotel Kleinwalsertal
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André Münch, “Butt” in Rostock
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Boris Rommel, “Le Cerf” in Öhringen bei Heilbronn
Eine Steigerung auf 17 Punkte gelingt den Köchen / Restaurants:
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Tobias Bätz, “Alexander Herrmann by Tobias Bätz” in Wirsberg (Franken)
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Silio del Fabro, “Esplanade” in Saarbrücken
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Dirk Gieselmann, “Pauly-Saal” in Berlin
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Daniel Gottschlich und Erik Schmitz vom “Ox&Klee” in Köln
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Martin Herrmann, “Le Pavillon” in Bad Peterstal (Schwarzwald)
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Thomas Kellermann, “Dichterstub‘n” in Rottach-Egern
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Dirk Maus vom “Gourmetrestaurant Dirk Maus” in Heidesheim bei Mainz
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Alexander Müller vom “17fuffzig” in Burg (Spreewald)
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Oliver Röder und Filip Czmok vom “Bembergs Häuschen” in Euskirchen (Eifel)
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Gregor Ruppenthal vom “Marly” in Mannheim
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Kai Schneller und Carsten Müller von der “Silberdistel” in Ofterschwang (Allgäu)
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Max Strohe vom “Tulus Lotrek”
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Dylan Watson-Brawn vom “Ernst” in Berlin
Der Gault Millau vergibt in 2020 außerdem besondere Auszeichnungen
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Gastgeber des Jahres: David Breuer von der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn
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Aufsteiger des Jahres: Christian Eckhardt vom “Purs” in Andernach
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Entdeckung des Jahres: Dustin Dankelmann vom “959” in Heidelberg
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Sommelier des Jahres: Nina Mann vom “Victor’s Fine Dining by Christian Bau” in Perl
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Pâtissier des Jahres: Marco D’Andrea vom Hotel “The Fontenay” in Hamburg
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Gastronom des Jahres: Günther Jauch von der “Villa Kellermann” in Potsdam
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Bester deutscher Koch im Ausland: Heinz Beck vom “La Pergola” in Rom
Die Junge Talente 2020 würdigt der Gault Millau mit jeweils 16 Punkten:
Joël Ellenberger vom “Wintergarten” in Baden-Baden, David Höller vom “Nova” in Herrenberg bei Stuttgart, Randy De Jong vom “Kesselhaus” in Osnabrück, Daniele Tortomasi vom “Favorite” in Mainz, Manuel Ulrich vom “Ösch Noir” in Donaueschingen, Brian Wawryk von der “Traube Blansingen” in Efringen-Kirchen bei Basel.
Als Deutschlands “beste Köche” titulieren nach dem Gault Millau mit 19,5 Punkten unverändert:
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Christian Bau, “Victor’s Fine Dining by Christian Bau” in Perl
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Sven Elverfeld, “Aqua” in Wolfsburg
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Klaus Erfort, “GästeHaus” in Saarbrücken
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Christian Jürgens, “Überfahrt” in Rottach-Egern
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Torsten Michel, “Schwarzwaldstube” in Baiersbronn
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Clemens Rambichler, “Waldhotel Sonnora” in Dreis
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Tim Raue, “Restaurant Tim Raue” in Berlin
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Joachim Wissler, “Vendôme” in Bergisch Gladbach
Alle Bewertungen finden sich im Gault&Millau Restaurantguide Deutschland 2020, broschhiert; 768 Seiten; 39,99 €.
Über den Restaurantführer Gault&Millau
Der Gault&Millau ist ein nach seinen Gründern, den französischen Journalisten Henri Gault und Christian Millau, benannter und neben dem Guide Michelin der einflussreichste Restaurantführer (Vergleich der bedeutendsten Restuarantführer auf Food Fellas lesen).
1969 wurde er erstmals in Frankreich aufgelegt. Der Gault&Millau benotet nach dem französischen Schulnotensystem mit Punkten und Kochmützen, die höchste Auszeichnung sind 19,5 Punkte und fünf Kochmützen. Er liefert neben der Bewertung, anders als der Guide Michelin, auch eine ausführliche Beschreibung der Restaurants.
Titelfoto: © KME Studios